Für ihre Oberweite und ein gewagtes Kleid erfand sie den BH
Das New Yorker It-Girl Mary Phelps Jacob störte sich an der Enge und Auffälligkeit ihres Korsetts. Deshalb entwarf sie 1914 einen Büstenhalter aus Seidentüchern, der sich in der Upperclass gut verkaufte. Den Rest erledigte der Erste Weltkrieg.
Extravagante Partys können tatsächlich der Katalysator für technische Innovationen sein. Ein gutes Beispiel ist die Erfindung, für die die Amerikanerin Mary Phelps Jacob (1891–1970) am 3. November 1914 ein Patent erhielt. Die Tochter der Elite Neuenglands war feierfreudig und hatte die Mittel, in extravaganten Kleidern aufzutreten. Um diese noch aufregender zu machen, entwickelte sie kurzerhand ein neues Kleidungsstück: den Büstenhalter.
Damit traf die 1891 geborene Tochter von William Hearns Jacob und Mary Phelps den Nerv der Zeit. Bis dahin galt es zumindest in besseren Kreisen als guter Stil, wenn Damen ihren Oberkörper in ein Korsett zwängten. Mit Erotik hatte das allerdings wenig zu tun, sondern diente vor allem der Selbstquälerei. Das eng anliegende Kleidungsstück wurde mit Metall oder Fischbein gegen den Körper gedrückt, wodurch Rippen und Nieren gequetscht wurden. Ohnmachtsanfälle waren die Folge.
Mary Phelps Jacob ergänzte zwei Aspekte. Das Abendkleid, das sie für einen Debütantinnenball gewählt hatte, bestach durch reduzierten Stoff, so dass das Korsett sichtbar war. Ihre bemerkenswerte Oberweite ließ es jedoch notwendig erscheinen, die Brüste irgendwie abzuschirmen. Also griff sie selbst zur Nadel und nähte mit einer Dienerin aus zwei Seidentüchern und rosa Bändern einen rückenfreien BH. Der Erfolg war überwältigend. Viele Frauen der Upperclass in New York sahen ihre Probleme plötzlich gelöst und zahlten bereitwillig den damals stolzen Preis von einem Dollar für das leichte Wunder namens „Backless Brassiere“. In der Folgezeit ließ Mary Phelps Jacob ihre Erfindung im Februar 1914 patentieren, nicht nur aus wirtschaftlichen, sondern auch aus politischen Gründen. Die 22-Jährige kämpfte leidenschaftlich für die Rechte der Frauen, darunter auch für den Verzicht auf das Korsett. Ihr Hund hieß Clytoris.
Der BH entsprang übrigens nicht allein Phelbs Jacobs Genie. 1893 hatte ein gewisser Hugo Schindler in der Schweiz einen Büstenhalter patentieren lassen. Sechs Jahre später präsentierte die Dresdnerin Chistine Hardt ihr „Damenmieder als Brustträger“. Auch die Französin Herminie Cadolle und der Schwabe Wilhelm Meyer-Ilschen aus Cannstatt reihten sich in die Liste der BH-Entwickler ein. Dass Mary Phelbs Jacob zur Symbolfigur wurde, lag wohl auch an ihrem gesellschaftlichen Status als gefeiertes It-Girl. Nach ihrer ersten Ehe heiratete sie 1922 den Dichter- und Bankierssohn Harry Crosby und nannte sich fortan Caresse Crosby. Sie schrieb Bücher, wurde Verlegerin in Paris, besaß einen Rennstall und betrieb eine Kunstgalerie in Washington.
Dass der BH heute zu einem Milliardengeschäft wurde, ist neben seiner Akzeptanz in besseren Kreisen auch dem Ersten Weltkrieg zu verdanken. Nach dem Kriegseintritt der USA 1917 forderte das Kriegsministerium Frauen auf, keine Korsetts mehr zu tragen. Das darin verwendete Metall wurde für Waffen benötigt. Millionen Amerikanerinnen kamen der Aufforderung gerne nach und tauschten ihre Korsetts gegen BHs. 28.000 Tonnen Metall sollen auf diese Weise zusammengekommen sein. Ein weiterer Grund für den Verzicht auf das Korsett waren wohl auch die Arbeitsbedingungen in der Industrie. Dort übernahmen Frauen die Positionen von Männern, die in den Krieg zogen.
Das große Geschäft war jedoch nicht Phelps Jacobs Ding. Sie verkaufte ihr Patent für 1.500 Dollar und widmete sich ihren Sexpartys, dem Schreiben und anderen gesellschaftlichen Verpflichtungen. Das große Geschäft mit BHs machte die Warner Brothers Corset Company.
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