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Kürzlich hat Orange Lingerie ein neues BH-Muster herausgebracht, den Esplanade Bra, und das Besondere daran ist, dass er endlich trägerlos ist. Bis jetzt hatte ich noch keine Muster für trägerlose BHs entdeckt.

In den Schnitt war ich sofort verliebt. Einen Longline-BH wollte ich mir sowieso nähen, hatte aber noch kein Schnittmuster dafür gefunden und auch ein trägerloser BH stand auf dem Plan. Der Schnitt erfüllt mir also gleich zwei Wünsche. Besser geht es nicht. So schnell glaube ich. Ich habe mir noch nie einen BH-Schnitt gekauft.

Anders als bei normalen BH-Schnittmustern kann auf Schieber, Ringe und Träger verzichtet werden. Stattdessen werden Kunststoffstäbe und Tunnel eingesetzt (diese verhindern, dass das breite Band Falten wirft). Ansonsten sind keine Unterschiede zum normalen BH erkennbar.

Nach meinem Misserfolg mit dem Boylston-Muster (Schnitt von Orange Lingerie) hatte ich beim ersten Versuch überhaupt nicht damit gerechnet, dass es was wird.

Beim Boylston-Schnittmuster habe ich festgestellt, dass die von Orange Lingerie verwendete Messmethode zur Ermittlung der Körbchengröße (volle Oberweite minus Oberweite) überhaupt nicht zu mir passt, sodass ich dieses Mal mit einer Körbchengröße größer als gemessen angefangen und mich dann noch eine Körbchengröße nach oben gearbeitet habe.

Um mir diesmal die ganze Arbeit des Anzeichnens + Zuschneidens der falschen Größe zu ersparen, habe ich die Laminat-Cup-Teile nur einmal genäht. Beim einzelnen Laminat-Cup habe ich dann geschaut, ob der Cup die Brust vollständig bedeckt (also nicht zwickt oder absteht) und noch Nahtzugabe vorhanden ist. Dies war beim 32C-Cup der Fall. Bei BHs ohne Laminat funktioniert diese Anprobemethode wohl nicht. Sie funktioniert nur dank des eigenen Standfußes des Laminats. Mein Material und meine Zeit zur Ermittlung der richtigen Cup-Größe waren also auf ein Minimum beschränkt.

Oberstoff an die obere Cup-Kante stecken. Dabei darauf achten, dass die Stecknadeln auf der Rückseite nicht sichtbar sind.

Beim Zuschnitt unterscheidet sich der BH nicht von jedem anderen. Bisher, wenn er als Einteiler fertig werden sollte, habe ich Oberstoff und Futter immer mit der Hand vernäht. Diesmal habe ich es mit Sprühkleber versucht. Bei der Kombination aus Leinentüll und (unelastischem) Futter/Futter klappte das sehr gut. Beim Doppel-Powernet hingegen gar nicht.

Danach konnte ich endlich mit dem Nähen beginnen. Ich war immer noch sehr vorsichtig und verwendete einen Stoff, einen hellblauen Leinentüll mit Punkten, der sich jedoch als Online-Fehlkauf herausstellte. Das wäre keine Schande gewesen.

Die Anleitung ist in weiten Teilen sehr gut geschrieben. Auch die Grafiken sind sehr gut gelungen. Einzig beim Annähen des Bandes und der Bänder für die Riegel wären, zumindest für BH-Anfängerinnen, mehr Details sicherlich hilfreich. Ich bin jedenfalls schon ganz schön angefressen 🙂 .

Bei diesem Muster-BH habe ich mich an Beverly Johnsons (der Fairly Bramother) Motto gehalten: Don’t do your very best work. Dekoabsteppnähte durften also ruhig etwas schief sein – immerhin ging es ja nur darum, beim zweiten Mal herauszufinden, was geändert werden musste.

Auf dem großen Bild kann man gut erkennen, wie sich die Cupform durch das Einsetzen des BH-Bügels verändert. Links ist dieser drin, rechts noch nicht. Die unteren Bilder sind aus dem Entstehungsprozess bzw. zeigen den provisorischen Verschluss für die erste Anprobe.

Der BH ist, auch dank der fehlenden Träger, wirklich sehr schnell genäht. Die Plastikstäbe hatte ich noch zu Hause (für waschbare Korsagen gekauft), und durch meine bereits genähten Korsagen mit Metallstäben sind die Plastikstäbe keine Herausforderung mehr. Man muss eh einen Tunnel nähen und die Stäbe dort nachträglich einführen. Wer also Bügelband annähen kann, kann auch die Tunnel annähen.
Meine Stangen sind Meterware und mussten auf die benötigte Länge zugeschnitten werden. Wichtig dabei ist zu beachten, dass man die Enden im Anschluss noch mit feinem Schleifpapier abrundet. Ansonsten kann sich die Stange durch den Stoff arbeiten.

Durch das breite Unterbrustband lässt sich kein normaler BH-Verschluss verwenden und man muss auf Meterware zurückgreifen. Bei Wien2002 gab es ein paar Farben zur Auswahl. Leider kein Schwarz, was ich als Standardfarbe angesehen hätte. Bei Sewy gibt es zwar auch Schwarz, allerdings ist die Meterware auch vergoldet. Hatte ihn noch bei Wien2002 bestellen müssen und da habe ich mir dann für je 4,50 € 1m Meterware in versch. Farben bestellt. Die schwarze Meterware werde ich mir besorgen wenn ich im April wieder bei Sewy bin. Finde das generell sehr praktisch.

Ich war von der ersten Anprobe (noch mit genähtem) BH-Verschluss an begeistert. Bis auf ein paar kleine machbare Änderungen saß er auf Anhieb super. Kein Vergleich zu dem Drama mit dem nicht tragbaren Bolyston-BH.

Änderungen (in grün): linke untere Kante - so habe ich es beim BH schon genäht. Rechts die Cup-Änderung mache ich beim nächsten Mal

Geändert habe ich noch:

• Rückenbandmaterial: Statt nur einer Lage Powernet habe ich zwei Lagen verwendet. Das mache ich auch bei meinen anderen BHs so. So halten die BHs länger, da sie weniger verschleißen.
• Rückenband hinten in der Mitte: Trotz der zusätzlichen Lage Powernet sitzt der BH für mich immer noch einen Tick zu locker, daher habe ich in der hinteren Mitte 0,5cm weggenommen.
• Rückenbandstäbe: zwei weitere Stäbe an der Rückseite des BH-Verschlusses. Ohne diese Stäbe hätte das Rückenband Falten bekommen, weil nichts da war, was diesen breiten Teil oben (faltenfrei) halten konnte. Die Idee kam mir, weil Korsetts so hergestellt werden.
• Am unteren Saum habe ich rundherum etwas weggenommen. Durch meinen vergleichsweise kurzen Oberkörper lief der BH 1-2cm über die Taille (also nach unten). Dies habe ich gekürzt, sodass es nun rundherum an der Taille endet und der BH keine Chance hat, runterzurutschen.
• Rahmen: In der Anleitung steht, dass man für dieses Stück einen nicht dehnbaren oder nur minimal dehnbaren Stoff verwenden soll. Mein gebrauchter Leinentüll fällt definitiv nicht in diese Kategorie, also verwende ich zusätzlich ein nicht dehnbares BH-Futter.
• Für das nächste Mal geplant: Wie schon bei meinen ersten Versuchen mit dem BH DL03 passt dieser bei mir vorne oben in der Mitte nicht. Unsere Nählehrerin hatte mir beim Schnitt DL03 gezeigt, dass dieses Problem behoben werden kann, indem man den Cup-Schnitten vorne in der Mitte einen kleinen Keil von 0,5 cm hinzufügt. Ich bin zuversichtlich, dass ich die Änderung hinbekomme.

Zum Tackern der BH-Verschlüsse verwende ich gerne auswaschbaren Kleber. In diesem Fall den neonfarbenen von Prym.

So sieht das gute Stück von hinten aus

BH-Verschluss in Meterware

Was mich überrascht hat war, dass dieser trägerlose BH ohne silikonbeschichtete Gummibänder auskommen soll. Trägerlose Kauf-BHs kenne ich nur mit Silikongummibändern. Von daher war ich skeptisch, ob das auch klappen würde und ich muss sagen, dank des taillenlangen Bandes kommt dieser „Silikonklebeeffekt“ überhaupt nicht zum Tragen. Hatte ich das wirklich nicht erwartet und gedanklich schon mit nachträglich angebrachten Trägern gerechnet?

Der BH trägt sich fantastisch toll. Wie bei meinen Korsetts liebe ich dieses Gefühl, gut „beschützt“ zu sein. Allerdings muss man es mögen. Kann mir gut vorstellen, dass bei manch anderem ein „drückendes“ Gefühl aufkommen könnte. Durch das breite Band schneidet der BH nirgends ein und gibt einen schönen Gesamteindruck unter figurbetonten Oberteilen (sowohl vorne als auch vor allem hinten) ab.

fertiger BH - immer noch mit Kreidemarkierung 🙂

Muster: Esplanade-BH (Orange Lingerie)
Material: gepunkteter Tüll und Kurzwarenpaket (Sewy), Kunststoffstäbe (aus eigenem Bestand), Meterware BH-Verschluss (Wien2002)
Änderungen: einige - siehe Text
Fazit: Ich liebe diesen Schnitt. Er sieht einfach toll aus und trägt sich unglaublich toll. Die zweite Variante ist bereits teilweise zerschnitten.

Ich habe den BH gestern das erste Mal den ganzen Tag getragen und bin noch immer ganz begeistert. Der trägerlose BH blieb brav an seinem Platz. Wenn du auf der Suche nach einem trägerlosen BH-Schnitt bist und lange Linien nichts ausmachen, probiere diesen Schnitt mal aus.